Alles, was Nora tun muss, um ihre Magie zu finden, ist ehrlich sein – vor allem gegenüber sich selbst. Nur so kann sie ihre Familie unterstützen und in die Fußstapfen aller Frauen vor ihr treten. Doch als die bezaubernde Evi eines Sommermorgens unverhofft in ihr Leben tritt, muss Nora sich eingestehen, dass ehrlich sein nicht immer so leicht ist, … und in Selbstliebe eine ganz eigene Magie ruht.
Als ich mich von meinem Fahrrad schwang, landeten die Möwen im Sturzflug um mich herum. Sie schrien und schrien, doch es klang nicht sarkastisch oder spottend, wie ich es von ihnen gewohnt war. Vielmehr kam es einer Aufforderung gleich. Ich lachte mit ihnen. In den Dünen stimmten die Grillen zu einem Lied an, die Störche auf unserem Dach klapperten aufgeregt mit den Schnäbeln – und dann begann mein Zuhause all seine bemalten Fenster und Türen zu öffnen und schließen, wieder und wieder, sodass es nur so schepperte und krachte. Ich stürmte hinein, sog den vertrauten Duft nach Honig, Blumen, Früchten und Zucker, Ton und Rauch in mir auf und berührte alles, was die Frauen vorheriger Generationen mit ihren Gefühlen und Erinnerungen beseelt hatten. Unser Haus war ein gigantisches Memorabilia: es erinnerte sich an alles, was den Honig-Frauen unter seinem Dach widerfahren war, und reagierte auf all unsere Gefühle. Es ließ sich nicht beruhigen. Es sagte: »Hallo!«
Nora Fingerhut...
… ist auf einer winzigen Insel inmitten der ostfriesischen Nordsee großgeworden, in einem Haus, das beinahe so magisch ist, wie die Frauen ihrer Familie. Im Sommer kehrt sie von der Münchner Großstadt dorthin zurück; zu ihrem Papa, ihrer kleinen Schwester und ihrer Omi. Doch obwohl sie sich eigentlich voll und ganz auf ihr Kunststudium konzentrieren sollte, treibt Nora nichts mehr an als der Wunsch, ihre eigene Magie zu finden; ihr Handwerk, mit dem sie ihre Familie finanziell unterstützen könnte. Allerdings muss sie sich dafür zunächst ihren verwirrenden Gefühlen gegenüber der niederländischen Meeresbiologiestudentin Evi Kuang stellen, die eines Morgens unverhofft an ihre Tür klopft … und Noras Herz in Aufruhr bringt.
Auf einer Insel mitten in der Nordsee, mitten im Sommer
Mit einem magischen Haus und einer noch magischeren Familie
Mit einem Marmeladenhaus, einer Töpferwerkstatt, einer Imkerei und einem Erdbeerhof
Mit sarkastischen Möwen und leuchtenden Quallen
Mit Forschung am Wattenmeer und seinen wurmigen Bewohnern
In den frühen 2000ern
Mit Meereswind und Salz in der Luft
»Nora. Hi.« Das Mädchen kam mir einen Schritt entgegen und mir stieg der Duft süßer Kirschen in die Nase. »Ich bin Evi Kuang.« Sie sagte es an uns alle gewandt, sah dabei aber nur mich an. So wie sie es aussprach, klang es ein bisschen wie das niederländische »Ik ben« und ich wusste nicht recht, warum genau das, die Schmetterlinge in meinem Bauch dazu brachte, sachte mit den Flügeln zu schlagen. Evi. Evi Kuang.